Die Automobilzuliefererbranche befindet sich mitten in einer tiefgreifenden Transformation – mit weitreichenden Folgen für Beschäftigte und Standorte. Auch die thyssenkrupp Bilstein GmbH, ein Traditionsunternehmen mit Hauptsitz in Ennepetal, ist davon massiv betroffen. Im Frühjahr 2025 wurde ein weitreichender Umbau angekündigt. Im Zentrum: ein geplanter Stellenabbau, flankiert von einem umfassenden Sozialplan, freiwilligen Austrittsprogrammen und weiteren Maßnahmen.
Wirtschaftlicher Druck und struktureller Wandel
Die Herausforderungen, mit denen thyssenkrupp Bilstein konfrontiert ist, sind vielschichtig: Ein anhaltender Auftragsrückgang, vor allem im Bereich klassischer Fahrwerkskomponenten für Verbrennerfahrzeuge, trifft das Unternehmen hart. Die Transformation hin zur Elektromobilität sowie ein verschärfter internationaler Wettbewerb haben Spuren hinterlassen.
Die Muttergesellschaft thyssenkrupp Automotive Technology verfolgt einen harten Konsolidierungskurs, um die Profitabilität der Sparte langfristig zu sichern. Laut Medienberichten und Stellungnahmen der IG Metall ist dabei auch eine umfassende Neuaufstellung von Standorten vorgesehen. Besonders betroffen: die Standorte Herne, Bochum und Hagen.
Stellenabbau und Sozialplan 2025
Im Zuge der Umstrukturierung wurde ein Sozialplan vereinbart. Dieser regelt die Bedingungen, unter denen sich Beschäftigte freiwillig vom Unternehmen trennen können. Auch wenn uns der vollständige Sozialplan nur in vertraulicher Form vorliegt, lässt sich sagen: Es handelt sich um ein im Branchenvergleich differenziertes und gestuftes Programm.
So gibt es besondere Regelungen für verschiedene Altersgruppen. Für jüngere Beschäftigte („U60“) sind beispielsweise bestimmte Grundabfindungen mit Multiplikatoren vereinbart. Für ältere Beschäftigte („Ü60“) gelten zum Teil andere Regelungen, die teilweise auch mit Renteneintrittsaltern korrespondieren. Auch Sprinterklauseln, also freiwillige vorzeitige Austritte gegen zusätzliche Leistungen, sind üblich.
In einem uns vorliegenden Fall sieht das Angebot eine Abfindung nach dem Modell 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr vor. Für besonders langjährige Mitarbeiter können daraus sechsstellige Beträge entstehen. In einigen Fällen wurden pauschale Zusatzleistungen oder Jubiläumsprämien zusätzlich angeboten.
Freiwilligkeit oder Druck?
Auch wenn offiziell von einem „freiwilligen Austrittsprogramm“ gesprochen wird, ist die Realität für viele Beschäftigte eine andere. Die wirtschaftliche Lage sorgt für Unsicherheit. Hinzu kommen enge Fristen zur Annahme der Aufhebungsverträge. In manchen Fällen wurde die Annahmefrist auf wenige Tage begrenzt – mit der Folge, dass eine fundierte Prüfung nur schwer möglich ist.
Die IG Metall kritisierte die Vorgehensweise als unausgewogen und forderte mehr Zeit und Transparenz. Auch Betriebsräte äußerten Bedenken hinsichtlich der sozialen Folgen und der geplanten Abbauzahlen.
Rechtslage: Warum anwaltliche Prüfung so wichtig ist
Aufhebungsverträge sind keine bloßen Formalitäten – sie haben erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld, Rentenansprüche und den sozialversicherungsrechtlichen Status. Wer beispielsweise vorschnell unterschreibt, riskiert eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld I.
Ein weiterer kritischer Punkt: Resturlaub, variable Bestandteile des Gehalts, Prämien oder betriebliche Jubiläen sind nicht immer korrekt berücksichtigt. Auch eine bezahlte Freistellung bis zum Ende der Laufzeit sollte individuell geprüft und ggf. eingefordert werden.
Unsere Kanzlei empfiehlt daher allen Beschäftigten, kein Abfindungsangebot ungeprüft zu unterzeichnen. Gerade wenn psychische Belastungen, gesundheitliche Probleme oder langjährige Betriebszugehörigkeit hinzukommen, ergeben sich häufig Verhandlungsspielräume.
Ausblick: Transformation mit ungewissem Ausgang
thyssenkrupp Bilstein steht exemplarisch für den Druck, unter dem viele Zuliefererunternehmen in Deutschland aktuell stehen. Ob der eingeschlagene Weg – mit Stellenabbau und schrittweiser Ausdünnung der Standorte – tatsächlich zur nachhaltigen Sanierung führt, ist offen.
Für die Beschäftigten bedeutet dies vor allem eins: Unsicherheit. Wer betroffen ist, sollte alle Optionen kennen, sich rechtzeitig beraten lassen und keine Entscheidung unter Zeitdruck treffen. Die ibp.Kanzlei steht Betroffenen in dieser schwierigen Lage mit fachkundiger Beratung zur Seite.
Hinweis zur Transparenz
Einige Informationen in diesem Artikel basieren auf internen Dokumenten und betriebsinternen Vereinbarungen, die uns vertraulich übermittelt wurden. Daher können wir an dieser Stelle nicht auf sämtliche Details des Sozialplans eingehen. Für individuelle Fragen stehen wir jedoch gerne persönlich zur Verfügung.