BAG: Kündigungsschutz nach Entlassungsverlangen des Betriebsrats

Ist einem Arbeit­ge­ber auf Antrag des Betriebs­rats in einem Ver­fah­ren nach § 104 Satz 2 BetrVG* rechts­kräf­tig auf­ge­ge­ben wor­den, einen Arbeit­neh­mer zu ent­las­sen, liegt für eine ordent­li­che Kün­di­gung die­ses Arbeit­neh­mers ein drin­gen­des betrieb­li­ches Erfor­der­nis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.

Die Klä­ge­rin war bei dem beklag­ten Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men lang­jäh­rig als Sach­be­ar­bei­te­rin beschäf­tigt. Ende April 2015 for­der­te der Betriebs­rat die Beklag­te auf, die Klä­ge­rin zu ent­las­sen, hilfs­wei­se sie zu ver­set­zen. Zur Begrün­dung ver­wies er auf Vor­fäl­le, die sich zwi­schen der Klä­ge­rin und ihren Arbeits­kol­le­gen im Okto­ber 2014 und Janu­ar 2015 ereig­net haben. Die Beklag­te kam dem Ver­lan­gen zunächst nicht nach. In dem dar­auf­hin vom Betriebs­rat ein­ge­lei­te­ten Beschluss­ver­fah­ren gem. § 104 Satz 2 BetrVG gab das Arbeits­ge­richt der Beklag­ten antrags­ge­mäß auf, die Klä­ge­rin „zu ent­las­sen”. Die Klä­ge­rin war in dem Beschluss­ver­fah­ren nach § 83 Abs. 3 ArbGG ange­hört wor­den. Die Beklag­te kün­dig­te das Arbeits­ver­hält­nis der Klä­ge­rin außer­or­dent­lich, hilfs­wei­se ordent­lich zum 30. Juni 2016.

Dage­gen hat sich die Klä­ge­rin mit der vor­lie­gen­den Kla­ge gewandt. Sie hat gemeint, es lie­ge weder ein wich­ti­ger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung vor noch sei die ordent­li­che Kün­di­gung sozi­al gerecht­fer­tigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG. Bei­de Vor­in­stan­zen haben fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en bestehen­de Arbeits­ver­hält­nis zwar nicht durch die frist­lo­se Kün­di­gung auf­ge­löst wor­den ist, die gegen die ordent­li­che Kün­di­gung gerich­te­te Kla­ge wur­de jedoch abge­wie­sen. Im Revi­si­ons­ver­fah­ren ver­fol­gen die Par­tei­en ihre ursprüng­li­chen Anträ­ge weiter.

Die Rechts­mit­tel bei­der Par­tei­en blie­ben vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ohne Erfolg. Der Zwei­te Senat hat ent­schie­den, dass auf­grund der — auch im Ver­hält­nis zur Klä­ge­rin — rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung des Arbeits­ge­richts, wonach die Beklag­te die Klä­ge­rin zu ent­las­sen hat­te, ein drin­gen­des betrieb­li­ches Erfor­der­nis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für die ordent­li­che Kün­di­gung gege­ben war. Dage­gen war der Beklag­ten durch den Beschluss nicht die frist­lo­se Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses auf­ge­ge­ben worden.

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Urteil vom 28. März 2017 — 2 AZR 551/16 -

Vor­in­stanz: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf
Urteil vom 13. Juni 2016 — 9 Sa 233/16 -

* § 104 BetrVG lau­tet:
Hat ein Arbeit­neh­mer durch gesetz­wid­ri­ges Ver­hal­ten oder durch gro­be Ver­let­zung der in § 75 Abs. 1 ent­hal­te­nen Grund­sät­ze, ins­be­son­de­re durch ras­sis­ti­sche oder frem­den­feind­li­che Betä­ti­gun­gen, den Betriebs­frie­den wie­der­holt ernst­lich gestört, so kann der Betriebs­rat vom Arbeit­ge­ber die Ent­las­sung oder Ver­set­zung ver­lan­gen. Gibt das Arbeits­ge­richt einem Antrag des Betriebs­rats statt, dem Arbeit­ge­ber auf­zu­ge­ben, die Ent­las­sung oder Ver­set­zung durch­zu­füh­ren, und führt der Arbeit­ge­ber die Ent­las­sung oder Ver­set­zung einer rechts­kräf­ti­gen gericht­li­chen Ent­schei­dung zuwi­der nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebs­rats vom Arbeits­ge­richt zu erken­nen, dass er zur Vor­nah­me der Ent­las­sung oder Ver­set­zung durch Zwangs­geld anzu­hal­ten sei. Das Höchst­maß des Zwangs­gel­des beträgt für jeden Tag der Zuwi­der­hand­lung 250 Euro.

Quel­le: Pres­se­mit­tei­lung Nr. 19/17 des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 28.03.2017