Bundesarbeitsgericht: Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Bundesarbeitsgericht: Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat mit sei­nem Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) eine weg­wei­sen­de Ent­schei­dung getrof­fen, die die Hand­ha­bung von Urlaubs­an­sprü­chen in Pro­zess­ver­glei­chen maß­geb­lich beein­flusst. Die­ser Arti­kel beleuch­tet die Kern­punk­te die­ses Urteils und sei­ne weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen für Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer. Im Fokus steht die Fra­ge, ob ein Pro­zess­ver­gleich, der eine Abgel­tung von Urlaubs­an­sprü­chen vor­sieht, wirk­sam ist und ob damit ein Ver­zicht auf den gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub erklärt wer­den kann. Wir ana­ly­sie­ren die juris­ti­schen Hin­ter­grün­de und die prak­ti­sche Rele­vanz die­ser BAG-Ent­schei­dung für die Gestal­tung von Arbeits­ver­hält­nis­sen und deren Been­di­gung.

Der Sachverhalt: Ein typischer Fall von Urlaubsabgeltung?

Dem Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts lag ein Rechts­streit zwi­schen einem Arbeit­neh­mer und sei­nem Arbeit­ge­ber zugrun­de, der sich mit der Abgel­tung von Urlaubs­an­sprü­chen nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses befass­te. Im Rah­men eines lau­fen­den Gerichts­ver­fah­rens einig­ten sich die Par­tei­en auf einen Pro­zess­ver­gleich. Die­ser Ver­gleich sah unter ande­rem die Zah­lung einer bestimm­ten Sum­me vor, die auch die Abgel­tung bestehen­der Urlaubs­an­sprü­che des Klä­gers umfas­sen soll­te. Die genau­en Moda­li­tä­ten des Ver­gleichs und die For­mu­lie­rung bezüg­lich des Urlaubs­an­spruchs waren aus­schlag­ge­bend für die spä­te­re recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung vor dem BAG. Es stell­te sich die Fra­ge, ob die im Ver­gleich getrof­fe­ne Rege­lung zur Urlaubs­ab­gel­tung den gesetz­li­chen Vor­ga­ben des Arbeits­rechts ent­sprach und ob damit wirk­sam auf den Urlaub ver­zich­tet wer­den konn­te.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Klare Linie beim Mindesturlaub

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung klar­ge­stellt, dass ein Ver­zicht auf den gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub, selbst wenn er in einem Pro­zess­ver­gleich ver­ein­bart wird, grund­sätz­lich unwirk­sam ist. Das Gericht stützt sei­ne Auf­fas­sung auf die star­ke Schutz­funk­ti­on des gesetz­li­chen Urlaubs, der der Erho­lung des Arbeit­neh­mers dient und somit direkt dem Schutz der Gesund­heit dient. Die Rege­lun­gen des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes (BUrlG), ins­be­son­de­re § 7 Abs. 3 BUrlG, sehen die Abgel­tung von Urlaubs­an­sprü­chen nur für den Fall vor, dass der Urlaub wegen der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses nicht mehr gewährt wer­den kann. Eine vor­zei­ti­ge Ver­ein­ba­rung eines Ver­zichts auf den Min­dest­ur­laub, oder des­sen pau­scha­le Abgel­tung in einem Ver­gleich, wider­spricht die­sem Schutz­zweck. Das BAG begrün­det die Unwirk­sam­keit sol­cher Klau­seln damit, dass die dem Min­dest­ur­laub zugrun­de­lie­gen­den Gemein­schafts­rechts­nor­men, ins­be­son­de­re die EU-Arbeits­zeit­richt­li­nie, ein zwin­gen­des Recht auf Erho­lung gewähr­leis­ten, von dem nicht durch pri­vat­au­to­no­me Ver­ein­ba­run­gen abge­wi­chen wer­den kann.

Rechtliche Einordnung: Warum ein Verzicht unwirksam ist

Das Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) stützt sich auf die fun­da­men­ta­le Bedeu­tung des gesetz­li­chen Min­dest­ur­laubs im deut­schen Arbeits­recht, wie er im Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) ver­an­kert ist. Die­ser Min­dest­an­spruch dient pri­mär dem Schutz der Gesund­heit und der Arbeits­kraft des Arbeit­neh­mers. Er ist ein zwin­gen­des Recht, das die phy­si­sche und psy­chi­sche Erho­lung sicher­stel­len soll und damit eng mit dem Arbeits- und Gesund­heits­schutz ver­bun­den ist.

Das BAG hat klar­ge­stellt, dass eine Ver­ein­ba­rung in einem Pro­zess­ver­gleich, die eine Abgel­tung oder einen Ver­zicht auf den gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub vor­sieht, die­ser Schutz­funk­ti­on wider­spricht und daher unwirk­sam ist. Die­se Hal­tung wird durch die euro­päi­sche Recht­spre­chung, ins­be­son­de­re die Arbeits­zeit­richt­li­nie, gestützt, die einen Min­dest­ur­laubs­an­spruch als uni­ons­weit gel­ten­des sozia­les Rechts­prin­zip eta­bliert.

Es ist ent­schei­dend, zwi­schen dem gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub und einem dar­über­hin­aus­ge­hen­den ver­trag­li­chen Urlaub zu unter­schei­den. Wäh­rend über den ver­trag­li­chen Zusatz­ur­laub unter Umstän­den wirk­sam ver­fügt wer­den kann, bleibt der gesetz­li­che Min­dest­ur­laub von sol­chen Abre­den unbe­rührt, solan­ge er nicht ord­nungs­ge­mäß in Natur gewährt wur­de oder unter den gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen abge­gol­ten wird.

Auswirkungen für Arbeitgeber: Was bedeutet das Urteil?

Für Arbeit­ge­ber hat das Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) erheb­li­che prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen, ins­be­son­de­re bei der Been­di­gung von Arbeits­ver­hält­nis­sen und der Gestal­tung von Pro­zess­ver­glei­chen. Unter­neh­men müs­sen sicher­stel­len, dass ihre Abwick­lungs- oder Pro­zess­ver­glei­che kei­ne unwirk­sa­men Urlaubs­ver­zich­te ent­hal­ten, um recht­li­che Risi­ken zu ver­mei­den.

Es ist rat­sam, bei Ver­glei­chen, die auch Urlaubs­an­sprü­che betref­fen, klar zwi­schen gesetz­li­chem Min­dest­ur­laub und wei­te­rem Urlaubs­an­spruch zu dif­fe­ren­zie­ren. Eine pau­scha­le Abgel­tung, die auch den Min­dest­ur­laub umfasst, ist unwirk­sam. Statt­des­sen soll­ten Arbeit­ge­ber dar­auf ach­ten, dass der gesetz­li­che Min­dest­ur­laub ent­we­der gewährt oder die Abgel­tung unter Beach­tung der gesetz­li­chen Bestim­mun­gen sepa­rat und prä­zi­se gere­gelt wird, um die Rechts­si­cher­heit zu gewähr­leis­ten.

Die sorg­fäl­ti­ge Prü­fung und Gestal­tung von Arbeits­ver­trä­gen und ins­be­son­de­re von Auf­he­bungs- und Abwick­lungs­ver­trä­gen wird für Unter­neh­men noch wich­ti­ger. Das BAG-Urteil unter­streicht die Not­wen­dig­keit eines trans­pa­ren­ten und geset­zes­kon­for­men Urlaubs­ma­nage­ments.

Auswirkungen für Arbeitnehmer: Gestärkte Rechte

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) stärkt die Posi­ti­on von Arbeit­neh­mern signi­fi­kant, ins­be­son­de­re in Bezug auf ihre Urlaubs­an­sprü­che. Arbeit­neh­mer kön­nen sich dar­auf ver­las­sen, dass ihr gesetz­li­cher Min­dest­ur­laub auch im Rah­men eines gericht­li­chen Ver­gleichs geschützt bleibt und nicht durch eine pau­scha­le Abgel­tung wirk­sam auf­ge­ge­ben wer­den kann.

Dies bedeu­tet, dass Arbeit­neh­mer, die einen Pro­zess­ver­gleich unter­zeich­nen, bei dem auch Urlaubs­an­sprü­che the­ma­ti­siert wer­den, kei­ne Nach­tei­le bezüg­lich ihres zwin­gen­den Erho­lungs­an­spruchs erlei­den. Selbst wenn ein Ver­gleich eine Rege­lung ent­hält, die auf den Min­dest­ur­laub abzielt, behält die­ser sei­nen Wert und kann gege­be­nen­falls unter ande­ren Umstän­den noch gel­tend gemacht wer­den.

Das Urteil stellt sicher, dass die Schutz­funk­ti­on des Urlaubs, die der Gesund­heit und Erho­lung dient, nicht durch pro­zes­sua­le Ver­ein­ba­run­gen aus­ge­he­belt wird. Arbeit­neh­mer, deren Arbeits­ver­hält­nis endet und die sich in einem Ver­gleichs­pro­zess befin­den, kön­nen nun mit grö­ße­rer Sicher­heit ihre Rech­te auf gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub durch­set­zen, auch wenn dies mög­li­cher­wei­se eine sepa­ra­te Gel­tend­ma­chung erfor­dert.

Fazit und Ausblick

Das Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zum Az. 9 AZR 104/24 mar­kiert einen wich­ti­gen Mei­len­stein im Arbeits­recht, da es die Unwirk­sam­keit eines Urlaubs­ver­zichts durch Pro­zess­ver­glei­che fest­stellt, wenn es um den gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub geht. Die­se Ent­schei­dung unter­streicht die her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung des Urlaubs als Schutz­me­cha­nis­mus für die Gesund­heit der Arbeit­neh­mer, wel­cher nicht durch pri­vat­au­to­no­me Ver­ein­ba­run­gen aus­ge­he­belt wer­den darf, selbst wenn die­se im Rah­men eines gericht­li­chen Ver­gleichs getrof­fen wer­den. Sowohl für Arbeit­ge­ber als auch für Arbeit­neh­mer hat dies weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen: Arbeit­ge­ber müs­sen ihre Pro­zess­ver­glei­che sorg­fäl­tig gestal­ten, um die Gül­tig­keit von Urlaubs­re­ge­lun­gen zu gewähr­leis­ten, wäh­rend Arbeit­neh­mer gestärk­te Rech­te auf ihren Min­dest­ur­laub haben. Zukünf­tig ist eine ver­stärk­te Sen­si­bi­li­sie­rung für die kor­rek­te Hand­ha­bung von Urlaubs­an­sprü­chen im Arbeits­ver­hält­nis und des­sen Been­di­gung zu erwar­ten. Die Recht­spre­chung wird wei­ter­hin gefor­dert sein, die genau­en Gren­zen und Anwend­bar­keit des Urlaubs­rechts im Lich­te der euro­päi­schen Vor­ga­ben aus­zu­lo­ten.


Wei­ter­füh­ren­de Quel­len: