Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert zunehmend die Arbeitswelt und stellt Betriebsräte vor neue und komplexe Herausforderungen. Vom Einsatz intelligenter Software in der Personalauswahl bis hin zur Automatisierung von Prozessen – die Einführung von KI-Systemen im Betrieb berührt unmittelbar die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dies wirft zentrale Fragen bezüglich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf. Wie können Betriebsräte ihre Mitbestimmungspflichten wirksam wahrnehmen, welche Informations- und Beratungsrechte haben sie, und inwieweit ist die Hinzuziehung externer Sachverständiger notwendig und möglich, um die oft schwer zu durchblickenden Technologien zu verstehen und mitzugestalten? Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, konkreten Rechte und Pflichten sowie die entscheidende Rolle externer Expertise bei der Begleitung von KI-Projekten im Unternehmen.
Grundlagen: Was bedeutet KI im betrieblichen Kontext?
Unter Künstlicher Intelligenz (KI) im betrieblichen Kontext versteht man in der Regel Softwaresysteme, die in der Lage sind, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten zu simulieren. Dazu gehören beispielsweise das Lernen aus Daten, das Erkennen von Mustern, das Treffen von Entscheidungen oder die Verarbeitung natürlicher Sprache. KI-Anwendungen im Betrieb sind vielfältig: Sie reichen von Systemen zur automatisierten Personalauswahl (z.B. Analyse von Bewerbungsunterlagen oder Video-Interviews) über Tools zur Optimierung von Arbeitsprozessen (z.B. intelligente Roboter in der Fertigung, Software zur Aufgabenplanung) bis hin zu Analyse-Software, die das Verhalten oder die Leistung von Mitarbeitenden auswertet.
Wer nutzt diese Systeme? In erster Linie Arbeitgeber, um Effizienz und Produktivität zu steigern. Was sind die typischen Herausforderungen? Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt können erheblich sein: Sie beeinflussen die Art und Weise, wie Arbeit organisiert wird, verändern Anforderungsprofile, können zur Überwachung genutzt werden und werfen Fragen des Datenschutzes und der Transparenz auf. Warum werden sie eingesetzt? Unternehmen versprechen sich Kosteneinsparungen, Qualitätsverbesserungen und Wettbewerbsvorteile. Wie genau ein System funktioniert, ist oft komplex und schwer zu durchdringen, was die Rolle des Betriebsrats besonders herausfordernd macht.
Die rechtliche Grundlage: Mitbestimmung des Betriebsrats bei KI
Die Einführung und Nutzung von KI-Systemen im Unternehmen unterliegt in Deutschland den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieses Gesetz bildet die zentrale rechtliche Basis für die Beteiligung des Betriebsrats an Entscheidungen des Arbeitgebers. Grundsätzlich hat der Betriebsrat eine allgemeine Aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.
Eine entscheidende Rolle spielen die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG. Hierzu gehört insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, der ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen regelt, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Viele KI-Anwendungen, die Daten über die Arbeitsweise, Kommunikation oder Leistung der Beschäftigten sammeln und auswerten, fallen unter diese Bestimmung.
Neben diesem zentralen Mitbestimmungsrecht bei Überwachungssystemen hat der Betriebsrat auch Informations- und Beratungsrechte in Bezug auf die Planung neuer Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe oder Arbeitsplätze (§§ 90, 91 BetrVG). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über geplante KI-Projekte frühzeitig und umfassend informieren (Informationsrecht) und sich mit ihm beraten. Ziel ist es, die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer zu mildern oder zu vermeiden und menschengerechte Arbeitsbedingungen zu gestalten. Auch die Auswahlrichtlinien bei Einstellungen, Versetzungen oder Kündigungen können durch KI beeinflusst werden und unterliegen den §§ 95 ff. BetrVG. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt somit das zentrale Gerüst dar, innerhalb dessen der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte beim KI-Einsatz wahrnehmen muss.
Konkrete Rechte und Pflichten des Betriebsrats beim Einsatz von KI
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Betrieb berührt eine Vielzahl von Rechten und Pflichten des Betriebsrats, die primär im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert sind. Grundsätzlich hat der Betriebsrat die Pflicht, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu wahren und ihre Belange bei allen betrieblichen Entscheidungen zu berücksichtigen (§ 2 BetrVG). Beim KI Einsatz manifestieren sich diese Pflichten in konkreten Beteiligungsrechten.
Ein zentrales Recht ist das Informationsrecht. Gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig über alle Planungen zu informieren, die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer haben könnten. Die Einführung von KI-Systemen gehört zweifellos dazu. Darüber hinaus ergibt sich ein spezifisches Informations- und Beratungsrecht nach § 90 BetrVG bei der Planung von technischen Anlagen. Besonders relevant sind die Informationspflichten nach § 111 BetrVG bei Betriebsänderungen, zu denen der Einsatz von KI in größerem Umfang zählen kann. Der Betriebsrat muss nicht nur über die geplante Einführung informiert werden, sondern auch über die Funktionsweise, den Zweck, die betroffenen Arbeitnehmergruppen sowie die voraussichtlichen Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Arbeitsinhalte und Qualifikationsanforderungen.
Von besonderer Bedeutung für die Mitbestimmung KI sind die zwingenden Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG. Nummer 6 gewährt ein Zustimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Viele KI-Systeme, etwa zur Analyse von Arbeitsabläufen, zur Leistungsprognose oder zur Verhaltenserkennung, fallen unter diese Kategorie. Hier kann der Betriebsrat die Einführung nur mit seiner Zustimmung ermöglichen und hat somit erheblichen Gestaltungsspielraum, um Schutzmechanismen für die Beschäftigten zu verankern. Auch bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) kann KI relevant werden, etwa bei Regeln zur Nutzung von KI-gestützten Tools.
Zusätzlich greift § 91 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei wesentlichen Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung vorsieht, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen. KI kann tiefgreifende Veränderungen in diesen Bereichen bewirken, was dem Betriebsrat hier ein starkes Verhandlungs- und Gestaltungsrecht einräumt.
Der Artikel Einsatz von KI: Hier bestimmt der Betriebsrat konkret mit! (betriebsratspraxis24.de) beleuchtet weitere Details, bei welchen Arten von KI-Systemen der Betriebsrat zwingende Mitbestimmungsrechte hat. Auch die Quelle Künstliche Intelligenz – Mehr Pflichten des Arbeitgebers gegenüber … (kliemt.blog) hebt die erweiterten Informations- und Handlungspflichten des Arbeitgebers hervor. Die effektive Wahrnehmung dieser Rechte Betriebsrat erfordert jedoch oft ein tiefes Verständnis der technologischen Materie, was zur Frage der Unterstützung durch externe Expertise führt.
Die Rolle externer Sachverständiger: Wann, wie und wozu?
Die Komplexität von KI-Systemen stellt Betriebsräte oft vor erhebliche Herausforderungen. Um ihre Beteiligungsrechte sachgerecht ausüben zu können, ist häufig spezialisiertes Wissen erforderlich, das intern nicht oder nur unzureichend vorhanden ist. In solchen Fällen bietet das Betriebsverfassungsgesetz die Möglichkeit, externe Sachverständige hinzuzuziehen.
Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 80 Abs. 3 BetrVG. Dieser Paragraph erlaubt dem Betriebsrat die Hinzuziehung eines Sachverständigen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Beim KI Einsatz ist diese Erforderlichkeit oft gegeben, da die zugrundeliegenden Technologien, Algorithmen und die potenziellen Auswirkungen auf die Belegschaft ohne spezifisches Know-how kaum zu durchdringen sind. Ein KI Sachverständiger kann dem Betriebsrat helfen, die Funktionsweise eines geplanten Systems zu verstehen, dessen Risiken und Nebenwirkungen für die Arbeitnehmer (z. B. Diskriminierung, Überwachung, Stress) einzuschätzen und alternative Gestaltungsoptionen zu identifizieren.
Die Hinzuziehung eines Externer Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG erfordert grundsätzlich eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über dessen Beauftragung und die Übernahme der Kosten. Der Arbeitgeber hat die Kosten zu tragen, wenn die Hinzuziehung erforderlich ist. Kommt keine Einigung zustande, kann der Betriebsrat die Zustimmung des Arbeitgebers gerichtlich ersetzen lassen. Das Gericht prüft dann die Erforderlichkeit der Beauftragung für die Betriebsratsarbeit. Die Beauftragung muss sich auf eine konkrete Aufgabe beziehen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Die Aufgaben eines Hinzuziehung Sachverständiger bei KI-Projekten können vielfältig sein:
- Analyse der technischen Funktionsweise des KI-Systems.
- Bewertung der Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Arbeitsinhalte, Qualifikationsanforderungen und die Arbeitsorganisation.
- Einschätzung potenzieller Überwachungs- oder Diskriminierungsrisiken.
- Unterstützung bei der Entwicklung von Regelungen in Betriebsvereinbarungen.
- Schulung der Betriebsratsmitglieder zu technischen oder rechtlichen Aspekten der KI.
Die Quelle Externer KI-Sachverständiger für den Betriebsrat – rechtssichere … (rdp-law.de) erläutert detailliert die rechtlichen Voraussetzungen für die Beauftragung eines KI Sachverständiger durch den Betriebsrat bei der Einführung von KI nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Eine weitere hilfreiche Quelle ist Betriebsrat: Externe Sachverständige hinzuziehen — Dr. Kluge … (kluge-seminare.de), die allgemein die Voraussetzungen und den Prozess der Hinzuziehung Sachverständiger behandelt, mit speziellem Bezug zum KI-Einsatz und den Sachverständigenkosten. Die gezielte und rechtssichere Beauftragung externer Expertise ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche und informierte Betriebsratsarbeit bei der Einführung von KI.
Praxistipps: Erfolgreiche Betriebsratsarbeit bei KI-Projekten
Die effektive Begleitung von KI Projekten im Unternehmen erfordert vom Betriebsrat proaktives Handeln und strategische Planung. Hier sind einige Praxistipps Betriebsrat, um die Herausforderungen zu meistern:
Erstens: KI Know-how aufbauen. Da die Technologie schnelllebig ist, ist es unerlässlich, dass sich Betriebsratsmitglieder fortbilden. Schulungen, Workshops oder auch der Austausch mit anderen Betriebsräten können helfen, ein grundlegendes Verständnis für verschiedene KI-Anwendungen und ihre potenziellen Auswirkungen zu entwickeln. Dieses Wissen ist die Basis, um Arbeitgeberinformationen kritisch hinterfragen und eigene Vorschläge entwickeln zu können.
Zweitens: Frühzeitige Einbindung suchen. Warten Sie nicht, bis die KI-Systeme kurz vor der Einführung stehen. Suchen Sie den Dialog mit dem Arbeitgeber bereits in der Planungsphase. Nutzen Sie Ihre Informationsrechte nach § 80 und § 90 BetrVG aktiv und drängen Sie auf Transparenz hinsichtlich der geplanten Technologien und deren Zwecke. Je früher der Betriebsrat eingebunden ist, desto größer ist der Gestaltungsspielraum.
Drittens: Betriebsvereinbarung KI anstreben. Angesichts der Komplexität und der weitreichenden potenziellen Folgen empfiehlt es sich dringend, den Einsatz von KI nicht nur im Einzelfall zu regeln, sondern umfassende Betriebsvereinbarungen zu schließen. Solche Vereinbarungen können allgemeine Grundsätze für den KI-Einsatz festlegen, etwa zu Datenschutz, Transparenz der Entscheidungen, Umgang mit Fehlern, Verantwortlichkeiten, Schulungsansprüchen und der Einbeziehung der Beschäftigten. Eine Betriebsvereinbarung bietet Rechtssicherheit und schafft klare Regeln. Die Quelle Betriebsvereinbarung Office 365: Tipps & Muster (betriebsrat-kanzlei.de) gibt zwar Beispiele für Office 365, liefert aber wertvolle Einblicke in die Struktur und Notwendigkeit von Betriebsvereinbarungen für digitale Tools, was auch auf KI übertragbar ist.
Viertens: Externe Expertise nutzen. Wie im vorherigen Abschnitt dargelegt, ist die Hinzuziehung Sachverständiger oft unerlässlich. Scheuen Sie sich nicht, dieses Recht in Anspruch zu nehmen, um auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.
Fünftens: Kommunikation mit der Belegschaft. Informieren Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die geplanten KI-Einführungen, mögliche Auswirkungen und Ihre Rolle als Betriebsrat. Sammeln Sie Feedback und Bedenken der Beschäftigten, um diese in Ihre Verhandlungen einzubringen. Offene Kommunikation schafft Vertrauen und stärkt Ihre Position.
Die Begleitung von KI-Projekten erfordert einen Mix aus rechtlichem Wissen, technischem Verständnis und Verhandlungsgeschick. Durch den Aufbau von KI Know-how, frühzeitige Beteiligung, den Abschluss von Betriebsvereinbarungen, die Nutzung externer Expertise und eine transparente Kommunikation kann der Betriebsrat seine Betriebsratsarbeit erfolgreich gestalten und die Interessen der Beschäftigten im Zeitalter der KI wirksam schützen.
Weiterführende Quellen
- Externer KI-Sachverständiger für den Betriebsrat – rechtssichere Beauftragung nach § 80 Abs. 3 BetrVG bei der Einführung von KI](https://www.rdp-law.de/news/externer-ki-sachverstaendiger-fuer-den-betriebsrat-rechtssichere-beauftragung-nach-80-abs-3-betrvg-bei-der-einfuehrung-von-ki) – Diese Quelle erläutert die rechtlichen Grundlagen für die Beauftragung eines externen Sachverständigen durch den Betriebsrat bei der Einführung von KI nach § 80 Abs. 3 BetrVG.
- Betriebsrat: Externe Sachverständige hinzuziehen](https://www.kluge-seminare.de/mitbestimmung-betriebsrat/sachverstaendige/) – Diese Quelle behandelt allgemein die Voraussetzungen und den Prozess der Hinzuziehung externer Sachverständiger durch den Betriebsrat, mit speziellem Bezug zum KI-Einsatz.
- Einsatz von KI: Hier bestimmt der Betriebsrat konkret mit!](https://www.betriebsratspraxis24.de/blog/einsatz-von-ki-hier-bestimmt-der-betriebsrat-konkret-mit) – Der Artikel beleuchtet, in welchen konkreten Bereichen und bei welchen Arten von KI-Systemen der Betriebsrat zwingende Mitbestimmungsrechte hat.
- Künstliche Intelligenz – Mehr Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat?](https://kliemt.blog/2023/10/25/kuenstliche-intelligenz-mehr-pflichten-des-arbeitgebers-gegenueber-dem-betriebsrat/) – Diese Quelle thematisiert die erweiterten Informations- und Handlungspflichten, die Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben können.
- Betriebsvereinbarung Office 365: Tipps & Muster](https://www.betriebsrat-kanzlei.de/betriebsvereinbarung-office-365-muster/) – Der Beitrag gibt Einblicke in die Notwendigkeit und Gestaltung von Betriebsvereinbarungen im Kontext digitaler Tools, was auch für den Einsatz von KI relevant ist (z.B. Copilot).