Die Digitalisierung der Entgeltabrechnung ist für Unternehmen längst keine Zukunftsvision mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Sie verspricht nicht nur erhebliche Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen, sondern auch eine Steigerung der Datensicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit. Doch die Umstellung von papierbasierten auf digitale Prozesse erfordert eine sorgfältige Planung und die Berücksichtigung zahlreicher rechtlicher, technischer und organisatorischer Aspekte. Dieser Artikel beleuchtet die entscheidenden Schritte und Best Practices, um Ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung erfolgreich und rechtssicher zu digitalisieren.
Vorteile der digitalen Entgeltabrechnung: Mehr als nur Papier sparen
Die Umstellung auf eine digitale Entgeltabrechnung bietet eine Vielzahl von Vorteilen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, die weit über die bloße Einsparung von Papier hinausgehen.
Kosten- und Zeitersparnis
Einer der offensichtlichsten Vorteile ist die signifikante Kostenersparnis. Der Wegfall von Druck‑, Kuvertier- und Portokosten summiert sich schnell, insbesondere in größeren Unternehmen. Durchschnittlich können pro Mitarbeiter und Monat etwa 1,50 Euro eingespart werden. Hinzu kommt eine erhebliche Zeitersparnis für die HR-Abteilung. Manuelle administrative Arbeitsschritte wie das Ausdrucken, Sortieren und Versenden entfallen. Stattdessen genügt oft ein Klick, um Dokumente im digitalen Mitarbeiterpostfach zu hinterlegen. Automatisierte Prozesse beschleunigen darüber hinaus ganze Arbeitsschritte in der Lohnabrechnung. Auch für Mitarbeiter entfallen Wartezeiten auf postalische Zustellungen, da sie jederzeit und ortsunabhängig auf ihre Dokumente zugreifen können. Diese Effizienzsteigerung ermöglicht es HR-Mitarbeitern, sich auf strategischere Aufgaben zu konzentrieren, die das Unternehmen voranbringen, anstatt primär repetitive Prozesse abzuarbeiten.
Erhöhte Effizienz und Genauigkeit
Digitale Abrechnungstools automatisieren viele manuelle Prozesse, was nicht nur Zeit spart, sondern auch die Fehleranfälligkeit reduziert. Zahlendreher, Übertragungsfehler oder vergessene Änderungen, die bei manueller Bearbeitung auftreten können, werden minimiert. Die Automatisierung gewährleistet zudem, dass gesetzlich verpflichtende Meldungen an Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und das Finanzamt fristgerecht und korrekt erfolgen. Dies führt zu einer höheren Genauigkeit und Verlässlichkeit der Abrechnungsprozesse.
Verbesserte Datensicherheit und Archivierung
Entgegen mancher Bedenken kann die digitale Entgeltabrechnung eine höhere Datensicherheit bieten als papierbasierte Systeme. Professionelle Lösungen nutzen passwortgeschützte Portale und Verschlüsselung, um den sicheren Zugriff auf sensible personenbezogene Daten zu gewährleisten. Sie verhindern den Verlust oder die Beschädigung von Dokumenten und ermöglichen eine revisionssichere Archivierung über die gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen von sechs Jahren hinaus. Dies ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer von Vorteil, da wichtige Unterlagen bis zum Renteneintritt sicher aufbewahrt werden können.
Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit
Die digitale Lohnabrechnung trägt maßgeblich zur Nachhaltigkeit bei, indem sie den Papierverbrauch und den damit verbundenen ökologischen Fußabdruck reduziert. Dies ist ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz und stärkt das positive Image des Unternehmens.
Rechtssichere Umstellung: Zustimmung, Gesetze und Bestimmungen
Die Umstellung auf eine digitale Entgeltabrechnung muss stets rechtssicher erfolgen und die geltenden gesetzlichen Bestimmungen beachten.
Gesetzliche Grundlagen und Formvorschriften
Nach § 108 Abs. 1 S. 1 der Gewerbeordnung (GewO) ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Gemäß § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) genügt dieser Textform grundsätzlich auch ein elektronisches Dokument. Wichtig ist dabei, dass der Inhalt lesbar ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgelegt wird und die Erklärung über den zweckmäßigen Zeitraum zugänglich aufbewahrt und unverändert wiedergegeben wird. Ein PDF-Format, insbesondere das unveränderbare Unterformat PDF/A, erfüllt diese Anforderungen. Inhaltlich müssen digitale Abrechnungen alle Angaben gemäß § 1 der Entgeltbescheinigungsverordnung enthalten, wie Arbeitgeber- und Mitarbeiterdaten, Abrechnungszeitraum sowie Zusammensetzung des Arbeitsentgelts mit Zuschlägen, Abzügen und sonstigen Vergütungen.
Mitarbeiterzustimmung und BAG-Urteil
Ein zentraler Punkt bei der rechtssicheren Umstellung ist die Zustimmung der Mitarbeiter. Lange Zeit wurde betont, dass Arbeitgeber nicht allein über die digitale Aushändigung entscheiden können und Mitarbeiter explizit zustimmen müssen, um auf eine Papierform zu verzichten. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen im Januar 2024 bekräftigte dies und stellte klar, dass eine Betriebsvereinbarung die individuelle Zustimmung nicht ersetzen kann.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jedoch in einem Urteil vom 28. Januar 2025 (Az.: 9 AZR 48/24) eine wichtige Klarstellung getroffen: Die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach wahrt grundsätzlich die Textform gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist demnach eine Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, indem er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle (z.B. Mitarbeiterpostfach) bereitstellt. Der Zugang erfolgt demnach nicht erst beim tatsächlichen Abruf, sondern mit der Bereitstellung. Allerdings muss sichergestellt sein, dass auch Arbeitnehmer, die keinen Online-Zugang über private Endgeräte haben, die Abrechnungen im Betrieb einsehen und ausdrucken können. Auch wenn das BAG die Notwendigkeit einer expliziten, vorherigen Zustimmung in bestimmten Fällen relativiert, bleibt eine transparente Kommunikation und die Einholung der Zustimmung – idealerweise schriftlich – eine starke Best Practice zur Förderung der Akzeptanz und zur Vermeidung von Konflikten.
Datenschutz und DSGVO
Besonders sensible Daten in Lohnabrechnungen (z.B. Religionszugehörigkeit, Sozialversicherungsnummer) erfordern höchste Schutzmaßnahmen. Die Digitalisierung muss den Anforderungen der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vollumfänglich entsprechen. Dies bedeutet, dass Unternehmen alle technischen und organisatorischen Maßnahmen ergreifen müssen, um personenbezogene Daten während der Übertragung, Speicherung und des Zugriffs vor unbefugtem Lesen, Kopieren, Verändern oder Entfernen zu schützen. Eine sichere, passwortgeschützte digitale Postbox oder ein Mitarbeiterportal sind hierfür unerlässlich. E‑Mail-Versand ist nur mit ausreichender Verschlüsselung und weiteren Schutzmaßnahmen zu empfehlen, um Sicherheitslücken zu vermeiden.
Rolle des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat zwar kein explizites Mitbestimmungsrecht bei der reinen Entscheidung zur digitalen Entgeltabrechnung, muss aber gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG rechtzeitig über die Einführung unterrichtet werden. Eine Betriebsvereinbarung zur digitalen Entgeltabrechnung wird dringend empfohlen, um die Grundlagen festzuschreiben, die Rechte der Mitarbeiter zu schützen und die Akzeptanz zu fördern. Themen wie Datenschutz, technische Zugänglichkeit und Unterstützung für technikferne Mitarbeiter können hier klar geregelt werden.
Schritt-für-Schritt zur digitalen Entgeltabrechnung: Ein Leitfaden
Die erfolgreiche Umstellung auf eine digitale Lohnabrechnung erfordert eine sorgfältige Planung und einen strukturierten Ansatz.
1. Ist-Analyse und Zieldefinition
Beginnen Sie mit einer detaillierten Analyse Ihrer aktuellen, oft papierbasierten Lohnabrechnungsprozesse. Identifizieren Sie Engpässe, manuelle Schritte und potenzielle Fehlerquellen. Definieren Sie klar die Ziele der Digitalisierung, wie z.B. Kostenreduzierung, Zeitersparnis, höhere Genauigkeit, verbesserte Datensicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit.
2. Konzeptentwicklung und Anforderungsdefinition
Entwickeln Sie ein umfassendes Konzept für die digitale Entgeltabrechnung. Dazu gehört die Definition der technischen Anforderungen:
- Sicheres Mitarbeiterportal/digitale Postbox: Ein zentraler, passwortgeschützter Ort für die Bereitstellung von Dokumenten.
- Revisionssichere Archivierung: Langfristige und unveränderliche Speicherung der Dokumente.
- Schnittstellen: Nahtlose Integration in bestehende HR-Systeme (z.B. Zeiterfassung, Personalmanagement) und die Möglichkeit zur automatisierten Übermittlung an Finanzämter und Sozialversicherungen.
- Datenschutzkonformität: Einhaltung von DSGVO und BDSG durch Verschlüsselung und Zugriffsrechte.
- Benutzerfreundlichkeit: Sowohl für HR-Mitarbeiter als auch für Endnutzer.
- Mobile Zugänglichkeit: Möglichkeit des Zugriffs von unterwegs.
- Format: Verwendung eines allgemein gültigen, nicht veränderbaren und digital signierbaren Formats (z.B. PDF/A).
3. Softwareauswahl und Implementierung
Die Wahl der richtigen Software ist entscheidend. Berücksichtigen Sie bei der Auswahl der Software folgende Kriterien:
- Funktionsumfang: Unterstützung aller relevanter Lohnarten, automatisierte Berechnungen, Meldewesen.
- Rechtssicherheit: GoBD- und DSGVO-Konformität, aktuelle Gesetzesänderungen werden berücksichtigt.
- Integrationsfähigkeit: Offene Schnittstellen zu anderen Systemen.
- Skalierbarkeit: Die Lösung sollte mit dem Unternehmen wachsen können.
- Support und Schulung: Guter Kundenservice und Schulungsangebote.
- Kosten-Nutzen-Verhältnis: Transparente Preismodelle.
- Cloud-Lösung: Oft vorteilhaft für Flexibilität, Wartung und mobile Zugänglichkeit.
Anbieter wie DATEV, d.velop, Lexware, edlohn, WISO, Stotax und Sage bieten spezialisierte Lösungen an. Nach der Auswahl folgt die Implementierung, die oft schrittweise erfolgen kann und Schulungen für die HR-Abteilung erfordert.
4. Kommunikation und Mitarbeiter-Einbindung
Eine transparente und frühzeitige Kommunikation ist der Schlüssel zur Akzeptanz in der Belegschaft. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter umfassend über die Vorteile, den Ablauf der Umstellung und die neuen Prozesse. Bieten Sie Unterstützung und Schulungen an, insbesondere für technikferne oder ältere Mitarbeiter, um digitale Barrieren abzubauen. Klären Sie Fragen zum Datenschutz und der Sicherheit der persönlichen Daten. Die Einholung der schriftlichen Zustimmung zur digitalen Zustellung ist nach wie vor die sicherste Variante, auch wenn das BAG-Urteil neue Interpretationen zulässt.
5. Technische Bereitstellung und Support
Stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter den technischen Zugriff auf die digitalen Abrechnungen haben. Dies kann die Bereitstellung von Computern oder Druckern im Unternehmen umfassen, falls Mitarbeiter keine privaten Endgeräte besitzen oder diese nicht nutzen möchten. Ein nutzerfreundliches und zuverlässiges Portal ist essenziell. Nach der Einführung sollte ein klarer Support-Prozess etabliert werden, um Fragen und Probleme schnell zu lösen.
6. Regelmäßige Überprüfung und Optimierung
Die Digitalisierung ist ein kontinuierlicher Prozess. Führen Sie regelmäßige Audits durch, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und die Funktionalität des Systems zu überprüfen. Sammeln Sie Feedback von Mitarbeitern und HR-Abteilung, um Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Bleiben Sie zudem stets über aktuelle gesetzliche Änderungen informiert, um die Rechtssicherheit dauerhaft zu gewährleisten.
Fazit
Die Einführung der digitalen Entgeltabrechnung ist ein entscheidender Schritt hin zu einem modernen, effizienten und zukunftsorientierten Personalwesen. Sie bietet vielfältige Vorteile, von erheblichen Kosten- und Zeitersparnissen über eine verbesserte Datensicherheit bis hin zu einer gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit. Der Prozess erfordert zwar eine sorgfältige Planung und die Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere bezüglich der Mitarbeiterzustimmung und des Datenschutzes. Mit einer klaren Strategie, der Auswahl passender Software und einer transparenten Kommunikation kann die Umstellung jedoch erfolgreich gemeistert werden. Unternehmen, die diesen Weg gehen, stärken nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit, sondern positionieren sich auch als attraktive Arbeitgeber in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt.
Weiterführende Quellen
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/entgeltabrechnungen-als-elektronisches-dokument/
https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-48–24/